Schlag auf Schlag geht es zum Saisonfinale der Kunstradfahrer-Elite in diesen Wochen. Die German Masters Serie ist abgeschlossen, die deutsche Meisterschaft vorbei, das Weltcup-Finale wenige Tage voraus und Anfang November die UCI-Weltmeisterschaft in Belgien als absoluter Höhepunkt schon fest im Blick. Immer vornedran: Zwei junge Frauen des Bruckmühler Traditionsvereins RKB Solidarität Bruckmühl. Das Besondere: Der BDR kann bei der WM nur zwei Sportlerinnen pro Disziplin ins Rennen schicken. Dass im 1er Frauen heuer beide aus einem Verein kommen, ist eine absolute Seltenheit in der Geschichte des Kunstradsports. Und ist dennoch kein Zufall: Das Trainerteam um Nachwuchs-Coach Dani Anderl und Meistermacher Robert Niedermeier hat schon viele auch international erfolgreiche Kunstradfahrer hervorgebracht. Sowohl Ramona Dandl als auch Jana Pfann sind WM-Debütantinnen und gehen als absolute Titel-Favoritinnen an den Start. Wer sind die beiden? Und was macht sie so stark?
Ramona Dandl
Ramona Dandl, Jahrgang 2000, ist trotz ihres jungen Alters eigentlich schon die Erfahrene in dieser Konstellation. Ihr Wechsel von der Juniorenklasse (U19) in die nach oben offene Elite-Klasse fiel mitten in die Corona-Pandemie. In diesem Jahr erst konnte die Masterstudentin im Fach Bio-Chemie sportlich wieder so richtig durchstarten. Nebenbei hat sie das Bachelorstudium als Biochemikerin an der TU München abgeschlossen. Die amtierende Bayerische Meisterin, Vize-Europameisterin und Führende des UCI-Weltcups (dessen Finale am 29.Oktober in Erlenbach stattfindet) war in den letzten Monaten mehr als je zuvor in Sachen Kunstrad unterwegs. Mit 196,8 Punkten hat sie alle Höchstschwierigkeiten, die das Reglement des 1er Kunstradsports auflistet, im Programm. Der komplexe 4fache Drehsprung, der sensible Mautesprung vom Sattel auf den Lenker des fahrenden Rads, und technisch perfekt kontrollierte Handstände sind ihr Metier. Zusammen mit ihrem Trainer Robert Niedermeier und ihrer Mutter Antje Dandl feilt sie unablässig an Nuancen und der Perfektionierung von Bewegungsabläufen. Ramona ist keine Draufgängerin, sondern eine, die sich über Trainingsfleiß und unermüdliche Ausdauer bei der Detailarbeit ihre Sicherheit auf dem Sportgerät erarbeitet. Auffallend ruhig und eleganten ist ihr Fahrstil. Mit kontinuierlicher Leistungsstärke hat sie die Masters-Serie als Gesamt-Zweite und mit der vorzeitigen WM-Qualifikation beendet. Bei der Deutschen hat sie Bronze gewonnen. Im parallel zur Qualifikationssaison stattfindenden Weltcup geht sie mit komplett weißer Weste ins Finale, da sie alle drei Vor-Wettbewerbe gewonnen hat. Auf der Weltjahresbestenliste wird sie auf Platz zwei hinter Jana Pfann geführt. Zu den sportlichen Verpflichtungen des Wettkampfbetriebs kamen für Ramona Dandl in diesem Jahr zahlreiche Show- und Präsentationsauftritte, die sie im eng getakteten Wettkampfkalender unter anderem nach Kanada und Glasgow führten. Die 22jährige hat sich von diesen Reisen noch mehr mentale Stärke und Selbstbewusstsein mitgebracht. Dieser Rückenwind könnte sie in Gent ganz nach oben tragen.
Jana Pfann
Foto: Pfann Foto: Hubert Dandl
Jana Pfann, Jahrgang 2003, ist die sportliche Überfliegerin bei den 1er Frauen in dieser Saison. Gerade mal dem Juniorenalter entwachsen, hat sie sich vom Fleck weg an die Spitze der deutschen Elite- Kunstradfahrerinnen gesetzt. Kam als Deutsche Meisterin der Junioren und Deutsche Junioren-Europameisterin an, um sich nicht hinten, sondern ganz vorne anzustellen. Die 19jährige, die im letzten Jahr ein Studium im Fach Eventmanagement begonnen hat, holte sich als erstes den Europameisterschaftstitel auch in der Eliteklasse, erwies sich in der German Masters Serie als unschlagbar und hat schnell klargemacht, dass ihr einer der beiden WM-Startplätze zusteht. Hätte es noch einer Unterstreichung bedurft, hat sie diese prompt geliefert: Im Finale der dritten Masters-Veranstaltung packte sie ein neues Programm mit über 200 Punkten aus und kam damit bis auf eine Punkt den aktuellen Weltrekord heran. Da muss man aufpassen, dass der Gewinn der Deutschen Meisterschaft nicht nur zur Randnotiz verkommt. So viel Mut und Power wie Jana Pfann in ihrem ersten Elite-Jahr aufgebracht hat, muss man erstmal haben. Sie ist in eine leistungssport-erfahrene Familie hineingeboren worden und wird nach wie vor von ihrer Mutter Nicole Pfann trainiert. Sich schinden bis zum Umfallen, alles probieren, immer am Rande dessen, was gerade noch möglich ist, mutig austesten, wo andere sich vorsichtig rantasten, keine Grenzen akzeptieren. Mit dieser Strategie hat es das hochgewachsene Energiebündel ganz nach oben geschafft. Mit unbändigem Willen und der Fähigkeit, den Ärger darüber, dass etwas nicht (gleich) klappt, in positive Energie umzusetzen. Mit dem Ehrgeiz, nie aufzugeben und auch bei einer nicht perfekten Übung immer zu retten, was zu retten ist. Mit einem Radgefühl, dass keine so wie sie hat. Wer so wie die 19jährige Aufsteigerin in dieser Saison durchgestartet ist, kann bei der Weltmeisterschaft eigentlich nur gewinnen. Selbst wenn es nicht der Titel ist. Denn alles, was an sportlicher Erwartung zu erfüllen war, hat sie in dieser Saison bereits weit übertroffen.
Autorin: Steffi Graff
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